Kompromiss über die EU-Mittel für Ungarn
Im Streit um die EU-Mittel für Ungarn konnte, wie die tschechische Ratspräsidentschaft am 12. Dezember mitteilte, eine grundsätzliche Einigung erzielt werden. So habe die ungarische Regierung einerseits ihr Veto gegen das milliardenschwere EU-Darlehen für die Ukraine sowie gegen eine globale Mindeststeuer aufgegeben, andererseits sei der ungarische Wiederaufbauplan von den Mitgliedsstaaten genehmigt worden. Die Auszahlung der Gelder erfolge in Verknüpfung mit der Erfüllung eines Katalogs von 27 Forderungen, welcher die Themenbereiche Korruptionsbekämpfung, wettbewerbsfähige öffentliche Auftragsvergabe sowie die Unabhängigkeit der Justiz behandelt. Des Weiteren sei man zu einem Kompromiss bezüglich der Zahlung der ungarischen EUMittel gelangt. Dieser sieht nun vor, dass anstatt der bisher 65 Prozent der Mittel aus drei Teilprogrammen der EU lediglich 55 Prozent eingefroren werden sollen. Dies würde eine Reduzierung von 7,5 Milliarden auf 6,3 Milliarden Euro bedeuten. Somit ständen Ungarn 1,2 Milliarden Euro mehr zu Verfügung als vorgesehen. Die restlichen Mittel aus den Programmen würden der ungarischen Regierung vollumfänglich zur Verfügung gestellt, sollten die verbleibenden Reformen innerhalb von zwei Jahren vollständig umgesetzt werden. Derzeit stehen die freigegebenen Geldmengen Ungarn jedoch auch nur theoretisch zur Verfügung. So müssen die Regierungen der Mitgliedsstaaten mit der Kommission eine sogenannte Partnerschaftsvereinbarung abschließen, in der die Ausgaben nach Zwecken und operationellen Programmen aufgeteilt werden. Eine solche Budgetvereinbarung steht mit Budapest noch aus. Der ungarische Kanzleramtsminister Gulyás zeigte sich in einem Interview Ende Dezember optimistisch, einen Teil des ausgesetzten Geldes noch in den nächsten Monaten freibekommen zu können. So seien eine Mehrheit der 27 Forderungen bereits erfüllt und die Verhandlungen mit der Kommission sehr konstruktiv.
Ungarn 2023 – was sich im neuen Jahr ändert
Mit dem neuen Jahr kommen auch einige neue Änderungen auf die ungarischen Bürger zu. So beschloss die Ungarische Nationalversammlung im Juli des vergangenen Jahres, die Verwaltungsnamen der Komitate und der Regierungsbeauftragten in den Komitaten in historischer Referenz umzubenennen. Diese Änderung tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Die Komitate (vormals ung. megye) heißen fortan Burgkomitate (vármegye). Der FideszFraktionsvorsitzende Máté Kocsis begründete die Grundgesetzänderung damals so: „Die Wiedereinführung des Wortes „vármegye“ in der heutigen ungarischen Rechtsordnung stellt sicher, dass die Verfassungstraditionen der tausendjährigen ungarischen Staatlichkeit in dieser Form weiterleben.“ Die grundlegenden territorialen Einheiten der ungarischen Verwaltung seit der Staatsgründung waren die Burgkomitate, die im Zuge der Machtübernahme der Kommunisten im Jahre 1949 in Komitate umbenannt wurden. Die von der Regierung beauftragten Vertreter in den Komitaten werden in dieser Tradition darüber hinaus bereits seit dem 28. Juli 2022 Obergespan (főispán) genannt, ein Verwaltungsbegriff aus dem Königreich Ungarn, der zwischen 1526 und 1950 gebräuchlich war und ebenfalls im Kommunismus abgeschafft wurde.
Angesichts der fortlaufenden Inflation werden 2023 die Renten um 15, der Mindestlohn um 16 Prozent erhöht. Die Durchschnittsrentenerhöhung wird dadurch bei 27.000 Forint (ca. 67 Euro) liegen, der Mindestlohn bei brutto 232.000 Forint (ca. 578 Euro). Letzteres wird ca. 200.000 Menschen betreffen. Der garantierte Mindestlohn bei abgeschlossener Berufsausbildung stieg um 14 Prozent auf brutto 296.400 Forint (739 Euro), was wiederum 730.000 Arbeitnehmer betrifft. Die Lebensmittelpreise stiegen im November im Vergleich zum Vorjahreswert um 43,8 Prozent, Haushaltsenergie verteuerte sich um 65,9 Prozent. Der durchschnittliche Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber November 2021 betrug insgesamt 22,5 Prozent und erreichte damit einen neuen Höchstwert, nachdem die Inflation im Oktober bereits 21,1 Prozent erreichte.
Des Weiteren werden ab dem 1. Januar 2023 die jungen ungarischen Familien entlastet: fortan sind Mütter unter 30 von der Einkommenssteuer (15 Prozent) befreit. Eine weitere Neuerung betrifft die ungarischen Autofahrer. Kfz-Besitzer können von nun an ihren Führerschein und Fahrzeugschein zu Hause lassen. Dieser Ordnungswidrigkeitsbestand wurde aus dem Gesetz gestrichen, dank der elektronischen Überprüfbarkeit durch die Polizei sind keine Bußgelder mehr zu befürchten. Dies gilt jedoch nur für Personen mit ungarischem Führerschein und ungarischer Fahrzeugzulassung. Zudem wurden die Mautpreise angepasst. Während die Preise für Jahresvignetten um verhältnismäßig geringe fünf Prozent steigen, kommen auf Monats- oder 10-Tages-Nutzer Aufschläge von bis zu 71 Prozent zu. Nicht nur ist Ungarns Nachbar Kroatien zuletzt der Eurozone, sondern auch dem SchengenRaum beigetreten. Damit fallen ab sofort die Grenzkontrollen an der 344 Kilometer langen ungarisch-kroatischen Grenze weg, der dortige Grenzzaun wird abgebaut.
Ökostrom-Deal zwischen Ungarn und Aserbaidschan
Um Ungarns Energiediversifikation voranzutreiben unterzeichnete Ministerpräsident Viktor Orbán am 17. Dezember in Bukarest gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Präsidenten, dem rumänischen Ministerpräsidenten und dem georgischen Ministerpräsidenten einen Vertrag über den Import von Strom aus Aserbaidschan über Georgien und Rumänien nach Ungarn. Beim Vertragsschluss waren auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der rumänische Präsident Klaus Johannis anwesend.
Geplant ist der Bau einer Leitung durch das Schwarze Meer, die mit einer Länge von fast 1.200km das längste Unterwasser-Stromkabel der Welt sein wird. Der importierte Strom soll vor allem aus nachhaltigen Quellen, wie den im Bau befindlichen Windkraftwerken im kaspischen Meer stammen. Orbán betonte, dass sich die Europäische Union in einem strategischen Vakuum befinde, in dem die Staats- und Regierungschefs dafür sorgen müssten, dass die wirtschaftliche und energetische Sicherheit in ihren Ländern gewährleistet sei.
Die Ära der europäischen Wirtschaftsgeschichte, in der Europa billige Rohstoffe und Energie aus Russland im Tausch gegen westliche Technologie importierte, sei Orbán zufolge zu Ende gegangen. Die Lösung bestehe darin, neue Energiequellen für Europa zu finden. „Seit mehr als einem Jahrzehnt habe auch ich die Erfahrung gemacht, dass die Europäische Union immer auf Aserbaidschan als zuverlässigen Partner zählen kann“, fügte er hinzu.
Ergebnisse der Volkszählung in Rumänien: über 1 Million Ungarn
Das rumänische Statistikamt hat vorläufige Daten für die Volkszählung 2022 veröffentlicht. Laut den Zahlen ist die ungarische Volksgruppe in Rumänien in den letzten zehn Jahren nicht nur in Bezug auf die Bevölkerungszahl, sondern auch in Bezug auf den Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich zurückgegangen: Den Daten zufolge zählt die größte ethnische Minderheit in Rumänien heute nur noch 1,002 Millionen, verglichen mit 1,22 Millionen vor zehn Jahren.
Aktuelle Umfrage
Laut einer Meinungsumfrage des regierungskritischen IDEA-Instituts von Mitte Dezember stagniert die Unterstützung für Fidesz. Anfang November 2022 hatte eine repräsentative Umfrage des IDEA-Instituts ergeben, dass trotz der wirtschaftlichen Krisenphänomene die Unterstützung für die Regierungspartei im Vergleich zu den Vormonaten auf stabile 52 Prozent zugenommen hatte. Die aktuelle Umfrage beschreibt dagegen einen Rückgang von 5 Prozent auf 47 Prozent bei den sicheren Wählern, wobei statistische Fehler den Demoskopen zufolge nicht auszuschließen sind. Auf der Oppositionsseite gab es nur geringfügige Wählerbewegungen im Vergleich zum Vormonat, so die IDEA-Zahlen.
Die größte Oppositionspartei ist nach wie vor die Demokratische Koalition (19 Prozent), gefolgt von der rechtsextremen Mi Hazánk Partei mit 10 Prozent Unterstützung (+1), der höchste jemals von IDEA gemessene Wert für diese Partei. Momentum kommt auf 6 Prozent, Jobbik und die Partei des Zweischwänzigen Hundes auf jeweils 4 Prozent, die Ungarische Sozialistische Partei, die früher noch Ministerpräsidenten stellte, liegt bei nur 3 Prozent gleichauf mit Párbeszéd, der grünen Partei des Budapester Oberbürgermeisters Gergely Karácsony.
Zur Quelle:
Das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit soll ein Forum für den akademischen, wissenschaftlichen und politischen Dialog zwischen Deutschland und Ungarn bieten und Entscheidungsträger wie auch interessiertes Fachpublikum beider Länder mit Themen, Debatten, Prozessen, Denkmustern und Ideen des jeweils anderen Landes bekanntmachen. Ziel ist es, durch Versachlichung des deutsch-ungarischen Diskurses mehr Verständnis, Verständigung und ein konstruktives Miteinander zu verwirklichen und so gemeinsam unser Europa zu erneuern.
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