Jahreseröffnungssitzung des ungarischen Kabinetts
Am Mittwoch. den 11. Januar 2023, hielt die Regierung ihre erste Kabinettssitzung des neuen Jahres ab, nach der Gergely Gulyás, Minister im Amt des Ministerpräsidenten, und Alexandra Szentkirályi, Regierungssprecherin, in einer Pressekonferenz über die jüngsten Entscheidungen informierten. Ministerpräsident Gergely Gulyás erklärte umfänglich die klare Position der Regierung zum Erasmus-Programm der EU. Des Weiteren habe die Regierung den Haushalt überprüft und beschlossen, ihn nächste Woche dem Parlament vorzulegen. Dieses könnte ihn nach den Debatten im Monat Februar im März annehmen.
Für das vergangene Jahr 2022 wurde ein Wachstum von rund 4,5 Prozent prognostiziert. Trotz Inflation seien die Reallöhne in den ersten zehn Monaten um 4,3 Prozent gestiegen. Der Haushalt 2023 sehe ein Wachstum von 1,5 Prozent vor, so dass die Chance bestehe, eine Rezession zu vermeiden. Ebenso erklärte man, Ungarn ziehe sich wegen der hohen Kosten von der Ausrichtung der Handball-Europameisterschaft der Frauen 2024 zurück, die planmäßig in Ungarn, Österreich und der Schweiz stattfinden soll. Die Gehälter für das Gesundheitspersonal werden laut Ankündigung um 40 Prozent steigen. Dies geschehe in zwei Schritten, am 1. Juli, sodann am 1. März. Die Regierung hat weiterhin die Idee verworfen, Privatärzte in die staatliche Versorgung zu zwingen. Der Verordnungsentwurf müsse überarbeitet werden.
Streit und Kompromiss mit der EU über die Erasmus+-Fördermittel für Ungarn
Die Teilnahme ungarischer Universitäten an Erasmus+ und Horizon sei vorerst gesichert. Die ungarische Regierung sei bereit, die Regeln für die Organe der Stiftungshochschulen zu ändern, um den Bedenken der EU Rechnung zu tragen, so Tibor Navracsics, der ungarische Minister für Regionalentwicklung und EU-Mittel, am 26. Januar 2023 in Brüssel. Entsprechende „nicht allzu komplizierte“ Gesetzesänderungen in zwei Fällen seien aus dem Parlament im März zu erwarten. 2 Hintergrund für Navracsics‘ Besuch in Brüssel waren Meldungen, wonach die EUKommission die Mittel für die Teilnahme der ungarischen Stiftungshochschulen an den Erasmus+- und Horizon-Programmen nicht freizugeben gedenke, da diese angeblich vom Beschluss des EU-Ministerrats am 15. Dezember miterfasst seien.
Aktuell sind in Ungarn über 30 Einrichtungen als öffentlich-rechtliche Stiftungen organisiert, darunter 21 Universitäten mit über 180 Tausend Studenten. Kritiker bemängeln, dass in den Aufsichtsorganen dieser Stiftungen aktive Politiker vertreten sind. Navracsics erklärte, dass die Regeln für diese Aufsichtsorgane geändert werden sollten, um einen Kompromiss mit er EU zu erreichen. Hierzu befinde man sich in enger Abstimmung mit den EU-Kommissaren für Haushalt, Johannes Hahn, und für Forschung, Mariya Gabriel. Entsprechende Gesetzesänderungen, die die Unvereinbarkeit von Positionen in Aufsichtsorganen dieser Stiftungen mit Mandaten in der aktiven Politik regeln würden, könne das ungarische Parlament bereits im Frühjahr auf den Weg bringen.
Im Vorfeld der genannten Verhandlungen hatte bereits Finanzminister Mihály Varga bekannt gegeben, dass der ungarische Staat die weitere Teilnahme an den Erasmus+- und HorizonProgrammen aus eigenen Mitteln sichern würde, falls die Verhandlungen mit der EU scheitern sollten. Varga verwies ebenfalls auf die Tatsache, dass auch in anderen Mitgliedsstaaten aktive Politiker in Hochschul-Aufsichtsratsorganen vertreten seien, so auch in Deutschland. Der Minister im Ministerpräsidentenamt, Gergely Gulyás, kritisierte das Handeln der EU scharf. Das Vorgehen der EU sei inakzeptabel und untragbar, wobei er aber auch gleichzeitig die Offenheit der Regierung für Änderungen betonte und Vargas Finanzierungszusagen wiederholte. Man bemühe sich um eine friedliche Lösung, aber sollten die Verhandlungen scheitern, werde die Regierung den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.
Die diesjährigen Erasmus-Kosten seien in keinem Fall gefährdet, da sie bereits Ende letzten Jahres vereinbart wurden.
Treffen der serbischen und ungarischen Außenminister in Budapest:
Ungarn gegen Mitgliedschaft des Kosovo im Europarat
Der serbische Außenminister Ivica Dačić besuchte am Dienstag, dem 10. Januar, auf Einladung von Außen- und Handelsminister Péter Szijjártó Ungarn. In Budapest wurde er zudem von Viktor Orbán im ehemaligen Karmeliterkloster empfangen, woraufhin Szijjártó und Dačić eine gemeinsame Pressekonferenz abhielten. Auf die Frage eines Journalisten zum serbisch-kosovarischen Konflikt antwortete Szijjártó, dass Ungarn an einer friedlichen Lösung und einem Kompromiss durch Dialog interessiert sei, weshalb es zuvor das Kommando über die NATO-Friedensmission im Kosovo (KFOR) übernommen habe.
Er fügte hinzu, dass seiner Meinung nach der Erfolg einer Kompromisslösung gefährdet werden könnte, wenn verschiedene europäische Organisationen 4 den Kosovo vorzeitig aufnehmen würden, und dass die ungarische Regierung demnach gegen die Aufnahme des Kosovo in den Europarat stimmen werde. In der Frage der Energiesicherheit gab er darüber hinaus bekannt, da die Turkish Stream die einzige Gaspipeline auf dem Kontinent sei, die derzeit zu 100 Prozent in Ost-West-Richtung ausgelastet sei, dass die „Garantie für die Energiesicherheit Ungarns“ nun in Serbien liege. Er betonte, dass im vergangenen Jahr 4,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas über Serbien nach Ungarn gelangt seien, was fast der Hälfte des gesamten Inlandsverbrauchs entspricht.
Der Handel zwischen den beiden Ländern habe im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht und sei um 75 Prozent gestiegen. Er erklärte, Ungarn sei bereit, neue Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen, um die Sicherheit der Rohölversorgung Serbiens zu gewährleisten, und fügte hinzu, dass die Parteien die Kapazität des Stromverbunds zwischen den beiden Ländern in den nächsten fünf Jahren verdoppeln würden.
Vermögensberichte der politischen Entscheidungsträger veröffentlicht
In Ungarn müssen bis zum 31. Januar eines jeden Jahres aktive politische Entscheidungsträger (so etwa Staatspräsidentin, Regierungsmitglieder, Staatssekretäre, Parlamentsabgeordnete, Bürgermeister und selbst kommunale Mandatsträger) eine detaillierte Auskunft über ihre Vermögen, Einkommen und Verbindlichkeiten geben. Diese Auskünfte 5 werden offen für jedermann einsehbar im Internet veröffentlicht. Diese auch im internationalen Vergleich einmalige Durchleuchtung erfolgt aus Gründen der Transparenz und zur Korruptionsbekämpfung. Diese Vermögensberichte geben natürlich auch der Presse genügend Gesprächsstoff. So wird jedes Jahr besonders kritisch kontrolliert, ob führende Entscheidungsträger größere Änderungen Ihres Vermögens zu berichten haben.
Da die Berichte aber sehr detailliert sind, finden sich auch zahlreiche Kuriositäten in ihnen. Man kann sogar nachlesen, dass der Regierungsbeauftragte Szilárd Németh seine private Altersvorsorge um 6000 Forint pro Quartal erhöht hat, oder dass Innenminister Sándor Pintér als Fahrzeug bis heute einen Wartburg anmeldet.
Vodafone Übernahme: Vodafone beendet Geschäft in Ungarn
Die Übernahme der ungarischen Vodafone könnte innerhalb weniger Tage abgeschlossen werden. Die Regierung beschloss am Wochenende eine umfangreiche Finanzspritze. Laut dem Deal, der seit letztem Jahr bekannt ist, kaufen 4iG, ebenfalls ein Gigant auf dem Telekommunikationsmarkt, 51 Prozent der ungarischen Vodafone und der ungarische Staat 49 Prozent. Die Regierung hat der staatlichen Ungarischen Entwicklungsbank (MFB) einen umfangreichen Kreditrahmen in Höhe von 425 Mio. EUR (fast 170 Mrd. HUF) bewilligt, wobei 80 Prozent des Kapitalbedarfs vom Staat garantiert werden.
Aktuelle Umfragewerte: Parteipräferenzen, Europawahl, EU-Mitgliedschaft
Im Januar veröffentlichten einige Meinungsforschungsinstitute ihre aktuellen Umfragedaten zu verschiedenen politischen Themen in Ungarn. So glauben laut einer aktuellen Umfrage des Publicus-Instituts 68 Prozent der Ungarn, dass die EU-Mitgliedschaft für das Land insgesamt vorteilhafter ist. Das ist mehr als im Juni 2015 (57 %), aber viel weniger als im Dezember 2020 (74 %) oder März 2022 (85 %). Bei einem Referendum an diesem Sonntag würden 66 Prozent für den Beitritt stimmen. Der Anteil derer, die der Meinung sind, dass die ungarische Regierung die europäische Einheit untergrabe, sank von 67 Prozent im vergangenen März auf 50 Prozent. Auch der Anteil derjenigen, die glauben, dass Viktor Orbán Ungarn aus der EU führen wolle, ist von 48 Prozent im März auf 30 Prozent gesunken.
Eine Umfrage des Nezőpont-Instituts 500 Tage vor den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Kommunalwahlen 2024 ergab, wenn die Wahlen zum Europäischen Parlament an diesem Sonntag stattfinden würden, so würde die Regierungspartei 56 Prozent der Stimmen erhalten und könnte bis zu drei Viertel der zu vergebenden Sitze gewinnen, da mehrere Oppositionsparteien die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreichen dürften.
Zur Quelle:
Das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit soll ein Forum für den akademischen, wissenschaftlichen und politischen Dialog zwischen Deutschland und Ungarn bieten und Entscheidungsträger wie auch interessiertes Fachpublikum beider Länder mit Themen, Debatten, Prozessen, Denkmustern und Ideen des jeweils anderen Landes bekanntmachen. Ziel ist es, durch Versachlichung des deutsch-ungarischen Diskurses mehr Verständnis, Verständigung und ein konstruktives Miteinander zu verwirklichen und so gemeinsam unser Europa zu erneuern.
Dieses Ziel möchten wir unterstützen und veröffentlichen Auszüge mit freundlicher Genehmigung der Verfasser. Die vollständige Ausgabe finden Sie hier als PDF. Die Website des Instituts erreichen Sie hier.
