Monatsbrief Ungarn – Dezember 2022
Benzinpreis Deckel in Ungarn aufgehoben
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Monatsbrief Ungarn – Dezember 2022
Europäische Kommission genehmigt ungarischen Wiederaufbauplan. Ungarn bekommt neues Energieministerium. Aufhebung des Preisstopps für Kraftstoffe. Staatspräsidentin Novák besucht Selenskyj .

Europäische Kommission genehmigt ungarischen Wiederaufbauplan – und setzt die Zahlung aus

Auf einer Pressekonferenz am 30. November gab die Europäische Kommission bekannt, Ungarn vorerst 13,3 Milliarden Euro EU-Mittel vorenthalten zu wollen. Zum einen sprach sie eine Empfehlung aus, die Zahlung von EU-Mitteln (7,5 Milliarden), die Ungarn aus dem Siebenjahreshaushalt der EU zustehen, einzufrieren. Konkret handelt es sich dabei um 65 Prozent der drei operationellen Programme Energie und Umwelt, Verkehr und regionale Entwicklung, was insgesamt etwa ein Drittel der gesamten für Ungarn vorgesehenen EU-Haushaltsmittel ausmacht. Zum anderen genehmigte sie den ungarischen Covid-Wiederaufbauplan, der mit 5,8 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt finanziert werden soll, lehnte eine Auszahlung dieser Mittel jedoch vorerst ab.

Beide Maßnahmen wurden mit den bisherigen angeblichen Problemen beim öffentlichen Vergabewesen und bei der Korruptionsbekämpfung begründet. Ungarn hätte mit seinem 17 Punkte-Programm seit den letzten Verhandlungen im September zwar Fortschritte gemacht, jedoch nicht allen Forderungen Genüge getan. Die ausgesetzten Mittel aus dem Siebenjahreshaushalt würden erst dann freigegeben, wenn die 17 Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens und der Korruptionsbekämpfung vollständig umgesetzt würden. Die Coronahilfen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro wiederum würden erst dann ausgezahlt, wenn Ungarn weitere 10 Punkte, also insgesamt 27 Voraussetzungen der Kommission erfülle.

Im Hinblick auf das Einfrieren der vorenthaltenen 7,5 Milliarden aus dem EU-Haushalt ist eine Entscheidung im Europäischen Rat noch im Dezember zu erwarten, jedoch müssten 15 EU-Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen, zustimmen.

Ungarn bekommt neues Energieministerium

„Die infolge des russisch-ukrainischen Krieges verhängte Sanktionspolitik droht sowohl dem Energie- als auch dem Wirtschaftssektor erheblichen Schaden zuzufügen. Um diesen Bedrohungen entgegenzuwirken, ist es gerechtfertigt, in der Aufgabenteilungsstruktur der Regierung ein eigenes Ministerium für beide Bereiche zu haben“, erklärte der Ministerpräsident in dem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Ministerien. Mit dem Rücktritt von László Palkovics wurde das Ministerium für Technologien und Industrie aufgelöst, seine Aufgaben übernehmen fortan das Wirtschaftsministerium (Industrie), das Ministerium für Bauwesen und Investitionen (Verkehr) und das Ministerium für Kultur und Innovation (Hochschulbildung). Die Zuständigkeit für das Atomkraftwerk in Paks bleibt unverändert beim Außenministerium unter Péter Szijjártó.

Kritische Versorgungslage – Aufhebung des Preisstopps für Kraftstoffe

Die ursprünglich bis mindestens Ende Dezember vorgesehene Preisdeckelung von Kraftstoffen wird vorzeitig beendet. Privatverbraucher, deren Wagen in Ungarn zugelassen ist, konnten bis zuletzt Benzin bzw. Diesel für 480 Forint den Liter (rund 1,20 €) tanken, Ab dem 7. Dezember werden Treibstoffe wieder auf Grundlage des Marktpreises angeboten, im Falle von Benzin bedeutet dies einen aktuellen Literpreis von rund 641 Forint (etwa 1,60 €), Diesel kostet knapp 700 Forint (rund 1,75 €). Tatsächlich herrschte bei den ungarischen Tankstellen seit Wochen Treibstoffmangel, die Lage hat sich insbesondere Anfang Dezember zugespitzt. Landesweit hatten sich lange Schlangen an den Tankstellen gebildet, oftmals war kein Kraftstoff zum gedeckelten Preis mehr verfügbar, aber auch Benzin und Diesel zum Marktpreis ist vielerorts zu Neige gegangen. In den vergangenen Tagen kam es so zum Ausfall von etwa einem Viertel aller Tankstellen, hieß es vonseiten des MOL-Konzerns. „Die Versorgungslage ist eindeutig kritisch, die Nachfrage steigt sprunghaft an, die Verbraucher legen Vorräte an und es kommt zu Panikkäufen.“ – erklärte György Bacsa, der strategische Geschäftsführer von MOL

Nicht zuletzt gab es zunehmende Unregelmäßigkeiten bei den Ölimporten aus Russland nach Ungarn, die durch das am 5. Dezember in Kraft getretene Embargo gegen russisches Rohöl verschärft werden dürften. Obwohl Ungarn von dieser Maßnahme ausgenommen bleibt, ist zu erwarten, dass die neuen Energiesanktionen auch Auswirkungen auf die ungarische Wirtschaft haben werden, da das weltweite Angebot wahrscheinlich zurückgehen wird.

Staatspräsidentin Novák besucht Selenskyj

Auf Einladung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reiste die ungarische Staatspräsidentin am 26. November mit dem Zug nach Kiew, wo sie an der Konferenz der humanitären Initiative „Grain from Ukraine“ teilnahm. Die Initiative zur Linderung der weltweiten Nahrungsmittelkrise zielt in erster Linie darauf ab, die Versorgung der afrikanischen Länder mit ukrainischen Nahrungsmitteln zu unterstützen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten betonte Novák, dass die „Verantwortung für den Krieg in der Ukraine glasklar bei Wladimir Putin“ liege.

Novák kündigte zudem an, dass Ungarn im Rahmen des Programms 10.000 Tonnen Getreide im Wert von 3,5 Millionen Dollar nach Afrika liefern und auch bei der logistischen Abwicklung des Hilfsprogramms Unterstützung leisten werde. Die ungarische Staatspräsidentin kam auch auf die ungarische Minderheit in der Karpaten-Ukraine zu sprechen, wo sie zuletzt kurz nach Ausbruch des Krieges zu Besuch war und dortigen Kriegsflüchtlingen geholfen hatte. „Wir haben 150.000 Gründe, den Krieg zu beenden und Frieden zu schaffen“ sagte Novák, womit sie die etwa 150.000 ethnischen Ungarn in der Ukraine meinte, und fügte hinzu, dass bislang etwa 500 transkarpatische Ungarn an der Front verwundet wurden oder starben.

Seit dem Ausbruch des Krieges stellte das Treffen zwischen Novák und Selenskyj die höchste Stufe diplomatischer Kontakte zwischen Ungarn und der Ukraine dar. Im Anschluss an ihren Besuch in Kiew reiste Novák in die Karpatenukraine, wo sie sich mit Vertretern der ungarischen Minderheit und mit Viktor Mikita, dem Gouverneur des Oblast Transkarpatien, traf. Novák und Mikita erörterten gemeinsame humanitäre Projekte und sprachen über die Sicherheitslage in der Region. Beim Treffen würdigte Mikita die ethnischen Ungarn aus der Karpatenukraine für Ihre Loyalität zur Ukraine.

Abstimmung über Nato-Beitritt von Finnland und Schweden Anfang Februar erwartet

Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an den V4-Gipfel in Kaschau am 24. November gab Viktor Orbán bekannt, dass über die Zustimmung zum NATO-Beitritt von Finnland und Schweden auf der ersten Parlamentssitzung im Jahr 2023, voraussichtlich im Februar, abgestimmt werde. Von den 30 NATO-Mitgliedern haben 28 den Beitritt der beiden nordeuropäischen Länder bereits ratifiziert, die Zustimmung von Ungarn und der Türkei stehen noch aus. Zuvor hatte Außenminister Péter Szijjártó erklärt, dass wegen der Erörterung von Gesetzesentwürfen im Lichte der Rechtstaatlichkeitsverfahren mit Brüssel schlichtweg keine Zeit gewesen sei, die Frage der Mitgliedschaft auf die Tagesordnung der Nationalversammlung zu setzen.

Zur Quelle:

Das Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit soll ein Forum für den akademischen, wissenschaftlichen und politischen Dialog zwischen Deutschland und Ungarn bieten und Entscheidungsträger wie auch interessiertes Fachpublikum beider Länder mit Themen, Debatten, Prozessen, Denkmustern und Ideen des jeweils anderen Landes bekanntmachen. Ziel ist es, durch Versachlichung des deutsch-ungarischen Diskurses mehr Verständnis, Verständigung und ein konstruktives Miteinander zu verwirklichen und so gemeinsam unser Europa zu erneuern.

Dieses Ziel möchten wir unterstützen und veröffentlichen Auszüge mit freundlicher Genehmigung der Verfasser. Die vollständige Ausgabe finden Sie hier als PDF. Die Website des Instituts erreichen Sie hier.

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